Hilfe, mein Pferd hat Hufrehe!

Die Hufe sind ungewöhnlich warm, die Gefäße am Fesselkopf pochen und das Pferd steht vor Schmerzen sägebockartig. Der Verdacht ist eindeutig: Akute Hufrehe. Was nun?
 

Immer ein Fall für den Tierarzt

Der Verdacht auf einen Hufreheschub stellt immer einen Notfall dar, der schnellstmögliche tierärztliche Hilfe erfordert. Denn handelt es sich tatsächlich um eine akute Hufrehe, sind die ersten 48 - 72 Stunden in der Behandlung von großer Bedeutung. Gelingt es in dieser Zeit, die Entzündung in den Griff zu bekommen, lassen sich die Schäden am Hufbeinträger am besten eindämmen und das Pferd kann schneller in seine alte Form zurückfinden.

Erste Maßnahmen sollte man auch schon vor Eintreffen des Tierarztes ergreifen, um dem Pferd Erleichterung zu verschaffen. Damit das Pferd seine Hufe entlasten kann, sollte man es so weich wie möglich aufstallen. Dazu eignen sich z.B. dicke Späne, Sand oder auch Torf. Andere Pferde sollten in Sichtweite sein, nicht aber so nah, dass sie das betroffene Pferd am ruhigen Stehen oder Liegen hindern können. Ein Belassen in der Herde ist daher absolut tabu! Auch mit dem Kühlen kann man schon vor Eintreffen des Tierarztes beginnen. Dazu geeignet sind Crushed Ice oder auch gefrorene Erbsen, die man in Einmalhandschuhe oder Gefrierbeutel füllt und mit einer Lage Stoff zwischen Pferd und Kühlmaterial um den Kronsaum aller vier Hufe legt. Mit dem Tierarzt sollte man vorab besprechen, wann man das Kühlen vor seiner Ankunft am besten einstellt, damit er die Wärme der Hornkapsel und die Pulsation unverfälscht beurteilen kann. 

Vor Ort wird der Tierarzt dann auch Untersuchungen wie das Abdrücken der Hufsohle durchführen und die Hornkapseln röntgen. Im akuten Stadium kann man zwar noch keine Veränderungen auf den Bildern erkennen, wenn keine älteren Vorschäden bestehen – dennoch ist der Status Quo wichtig, um den Verlauf der Hufrehe mithilfe späterer Aufnahmen beurteilen zu können. Auch auf die Suche der möglichen Ursache des Hufreheschubs wird sich der Tierarzt machen.

 

Meist ist die Fütterung Auslöser der Hufrehe

Grundsätzlich gibt es verschiedene Ursachen, die zu Hufrehe führen können. In den allermeisten Fällen hängt ein Hufreheschub aber mit einem aus den Fugen geratenen Insulinstoffwechsel zusammen. Betroffene Pferde haben eine Insulinresistenz und/oder Insulindysregulation, die einen zu hohen Insulinspiegel im Blut bewirkt und weitreichende Folgen für den Stoffwechsel hat.
Ein dauerhaft zu hoher Insulinspiegel kann verschiedene Ursachen haben:
  • Dicke Pferde sind häufig betroffen, da Fettgewebe die Insulinsensitivität der Zellen senkt (Equines Metabolisches Syndrom, EMS)
  • Leichtfuttrige Rassen neigen genetisch bedingt häufig schon zu einer Insulinresistenz, da sie züchterisch darauf selektiert wurden, nur sehr wenig Futter zu benötigen – manche haben auch normalgewichtig schon die typische EMS-Stoffwechsellage mit Insulinresistenz, die das Hufreherisiko erhöht
  • Pferde mit Equinem Cushing Syndrom (PPID) entwickeln als Folge der Erkrankung häufig eine Insulinresistenz
 
Neben dieser häufigsten stoffwechselbedingten Hufrehe, gibt es aber auch noch weitere Auslöser:
  • Eine einmalige Überfütterung mit leicht fermentierbaren Kohlenhydraten (z.B. Stärke, Fruktane) kann ebenfalls zur Hufrehe führen: Gelangen diese Verbindungen in sehr großer Menge in den Dickdarm, kommt es zu einer Verschiebung der Bakterienflora im Dickdarm. Vor allem milchsäurebildende Mikroorganismen vermehren sich plötzlich stark, andere Organismen sterben in großer Zahl ab. Diese sterbenden Bakterien setzen Gifte (Endotoxine) frei und durch den rasanten Anstieg des Milchsäuregehalts im Darm, kommt es zu einer Schädigung der Darmwand. Die Endotoxine gelangen so ins Blut und lösen eine Durchblutungsstörung der Lederhäute aus.
  • Schwere Koliken können ebenfalls zu einer solchen Endotoxinfreisetzung im Darm und Aufnahme ins Blut führen
  • Bei Nachgeburtsverhalten können Endotoxine aus der Gebärmutter ins Blut gelangen
  • Eine starke Überdosierung von Selen führt ebenfalls zu schweren Hufreheverläufen (Selenvergiftung)
  • Manche Medikamente können bei Überdosierung zu Hufrehe führen
  • Heute ist die Belastungsrehe, auch "Marschrehe" oder "Pflasterlahmheit genannt, die nach Überlastung der Hufe auf harten Böden über sehr weite Strecken entsteht, sehr selten. Eine Überlastungsrehe an einzelnen Beinen bei chronischen, starken Lahmheiten der gegenüber liegenden Gliedmaße kommt aber auch heutzutage noch häufiger vor, wenn Pferde das lahme Bein stark entlasten. 

Konsequenz in der Therapie ist bei Hufrehe das A und O

Hufrehe ist keine Lappalie. Sie ist eine der schmerzhaftesten Erkrankungen des Pferdes und kann unzureichend behandelt zu starken chronischen Beschwerden führen. Insbesondere bei der am häufigsten vorkommenden, stoffwechselbedingten Hufrehe ist neben den schnellen Maßnahmen im akuten Zustand auch das dauerhafte Management des Pferdes essenziell wichtig. Es ist daher unabdingbar, sich an den vom Tierarzt verordneten Therapieplan zu halten.

Neben konsequentem Kühlen über mindestens zwei bis drei Tage und einer weichen Aufstallung wird der Tierarzt dem betroffenen Pferd Medikamente verordnen. Bei Pferden mit Equinem Cushing Syndrom ist auch der sofortige Beginn der medikamentösen Therapie der Grunderkrankung wichtig. Gegebenenfalls bringt er auch einen ersten Hufschutz an, der einer Rotation des Hufbeins in der Hornkapsel entgegenwirken soll. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und nicht jedes Pferd erfährt mit jedem Hufschutz die gleiche Erleichterung.

Ist die Entzündung abgeklungen, entscheiden Tierarzt und Hufschmied mithilfe der im Verlauf erstellten Röntgenbilder gemeinsam, welcher Hufschutz in der Heilungsphase am sinnvollsten ist. Komplett ohne Hufschutz sollten auch Pferde, die das Barhuflaufen gewohnt sind, in der ersten Zeit nach der Erkrankung nicht auskommen müssen. Bis die Hornkapsel sich einmal rundum erneuert hat, vergehen je nach Pferd bis zu zwölf Monate, in der es zu keiner weiteren Entzündung kommen darf. In dieser Zeit sind die Hufe noch nicht voll belastbar – deshalb sollte man sich auch bezüglich des Bewegungsprogramms nach Abklingen der Lahmheit immer an die Vorgaben des Tierarztes halten.

 

Fütterungsfehler bei Hufrehe unbedingt vermeiden

Unabhängig von der Ursache, sollten Pferde im akuten Hufreheschub nur Heu, gegebenenfalls ergänzt durch Stroh, zu fressen bekommen. Bei der stoffwechselbedingten Hufrehe spielt die Fütterung aber auch nach Abklingen der Huflederhautentzündung eine große Rolle. Denn bei einer Insulinresistenz sollte man einen stark schwankenden Blutzuckerspiegel unbedingt vermeiden. Zu dicke Pferde müssen außerdem unbedingt abnehmen – und da Bewegung in der ersten Zeit nicht ausreichend möglich ist, muss man hier leider auf eine strenge Diät setzen.

Damit ein leichtfuttriges Pferd, das nicht im Training ist, abnimmt, muss man das Heu auf unter 1,5 kg pro 100 kg Zielgewicht reduzieren. Denn diese Menge deckt den täglichen Erhaltungsbedarf an Energie bereits ab und damit das Pferd an Gewicht verliert, muss es weniger Energie aufnehmen. Damit das Pferd dennoch sein großes Kaubedürfnis befriedigen kann, sollte man daher mit einem Heu-Stroh-Gemisch arbeiten. Das bedeutet: Die 1,5 kg Raufutter pro 100 kg können bis zu einem Drittel aus Stroh bestehen. Da Stroh weniger Energie als Heu enthält, entsteht so ein leichtes Energiedefizit. Ob die Diät erfolgreich ist, kann man einmal wöchentlich mithilfe eines Maßbandes überprüfen: ca. 1 – 2 cm sollte das Pferd pro Woche an Bauchumfang verlieren (im Bereich der Gurtlage gemessen).

Damit das Pferd möglichst viel Körperfett und dabei wenig Muskulatur verliert, kann es je nach Nährstoffgehalt im Heu sinnvoll sein, gezielt Aminosäuren zu ergänzen. Außerdem sollte man ein Mineralfutter füttern, um das Diätpferd dennoch mit ausreichend Mineralien und Vitaminen zu versorgen.

Hat ein ehemals übergewichtiges, einmal an Hufrehe erkranktes Pferd sein Idealgewicht erreicht, bedeutet das nicht, dass man es zukünftig wieder wie jedes gesunde Pferd füttern kann. Futter, die einen hohen Anteil an leicht verdaulichen Kohlenhydraten, wie z.B. Stärke aus Getreide, haben, sollte man sicherheitshalber auch weiterhin meiden. Denn wie oben beschrieben können auch normalgewichtige Pferde von einer Insulinresistenz betroffen sein. Das bedeutet, dass das Risiko eines erneuten Hufreheschubs bestehen bleibt, wenn es zu Insulinspitzen im Blut kommt. Benötigt ein betroffenes Pferd dennoch Kraftfutter, da es sehr viel arbeitet und mit Heu alleine zu dünn wird, kann man z.B. kohlenhydratarme, getreidefreie Kraftfutter und Öl als alternative Energieträger nutzen.

 

Hufrehe und Weide – ein schwieriges Thema

Im akuten Hufreheschub ist Weidegang natürlich absolut tabu. Auch übergewichtige Pferde, die schon einmal Hufrehe hatten, sollten lieber nicht auf die Weide gehen. Denn der Nährstoffgehalt im Gras kann je nach Witterung, Weidepflege und Artenzusammensetzung sehr stark variieren. Gerade bei kalten Nächten unter 10 Grad in Verbindung mit sonnigen Tagen kann der Gehalt an Fruktanen im Weidegras sehr hoch sein. Da dieses Gras besonders schmackhaft ist, inhalieren manche Pferde es auch geradezu und so kann es wieder zu hohen Insulinspitzen im Blut kommen – gerade dann ist das Grasen also ein Risikofaktor für einen erneuten Hufreheschub.

Doch wie sieht es aus, wenn das ehemalige Hufrehe-Pferd schlank und voll im Training ist? Auch dann sollte man auf alle Fälle Vorsicht walten lassen. Denn auch hier kann es zu ungesund hohen Insulinpegeln kommen, wenn das Pferd sehr viel fruktanreiches Gras auf einmal aufnimmt. Weidegang sollte man deshalb nur begrenzt ermöglichen, z.B. auf einer Portionsweide und unter Einsatz einer gutsitzenden, zahnschonenden Fressbremse.
Einige wichtige Punkte zum Thema Weide und Hufrehe:
  • auch einmaliges, ungewolltes „Überfressen“ am leckeren Gras ist für Hufrehepferde gefährlich. Deshalb müssen Zäune unbedingt ausbruchssicher sein und jeder im Stall, der Pferde auf die Weide bringt, muss darüber informiert sein, ob und unter welchen Vorsichtsmaßnahmen ein ehemaliges Rehepferd auf die Weide darf. 
  • Pferde die kürzer auf die Weide kommen, fressen häufig schneller und nehmen fast genauso viel Gras auf, wie Pferde mit unbegrenztem Weideaufenthalt. Eine Weidezeitbegrenzung alleine macht Weidegang für ehemalige Rehepferde daher nicht sicherer, da sie die Grasaufnahme häufig nicht ausreichend begrenzt! Gras muss portioniert und die Aufnahme ggf. durch eine Fressbremse weiter verlangsamt werden.
  • Zwar ist vor allem kürzeres Gras für seinen hohen Fruktangehalt bekannt, doch auch langes Gras ist nicht automatisch nährstoffarm. Sogar überständiges Gras kann gefährlich werden: Häufig fressen Pferde hier selektiv die energiereichen Grassamen, was mit einer Kraftfutteraufnahme vergleichbar ist. 

Liebe geht durch den Magen: Darf ich mein Pferd noch belohnen?

Wir alle füttern unsere vierbeinigen Sport- und Freizeitpartner gerne. Der ein oder andere Snack hier und da ist für viele Reiter selbstverständlich und kaum ein Pferd sagt nein zu einer leckeren Belohnung aus der Hand oder dem Trog. Bei Pferden mit Hufrehe kann es insbesondere während der strengen Diät zur Gewichtsreduktion sehr schwer sein, dem Drang zu widerstehen, zusätzliche Leckerbissen zu verfüttern. Denn häufig sind die Pferde in dieser Zeit auch sehr frustriert und wirken mitunter hungrig.

Doch jedes Extra in der Ration bedeutet auch ein Mehr an „Kalorien“, das den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen kann und das Risiko eines erneuten Hufreheschubs erhöht. Insofern sollte man auf unnötiges Zusatzfutter in Form von Leckerli, Mash, Müsli, Brot oder Obst konsequent verzichten – auch dann, wenn ein Produkt als „energiearm“ oder „Diätfutter“ gekennzeichnet ist! Denn jedes Futter enthält Energie („Kalorien“).

Will man auf eine Belohnung unter allen Umständen nicht ganz verzichten, ist nur eine Sache auch während der Gewichtsabnahme noch verhandelbar: Eine einzelne (!) frische Karotte pro Tag. Entgegen ihrem verbreiteten Ruf sind Karotten nämlich auch für Pferde weder besonders zucker- noch energiereich. Doch komplett frei davon sind sie natürlich nicht, weshalb es unbedingt auch bei dieser einzelnen Karotte bleiben sollte.

 

Chronische Hufrehe: Schmerzhaft und vermeidbar!

Wird eine Hufrehe chronisch, da es zu Versäumnissen in Management und Diät kam, verändert sich die Lage des Hufbeins in der Hornkapsel. Sowohl eine Rotation als auch eine Absenkung des Knochens sind möglich. Durch vermehrten Druck von unten infolge der veränderten Lage kann sich das Hufbein auch verformen: Es entsteht eine sogenannte Krempe an der Hufbeinspitze. 
Diese Veränderungen kann man im Röntgenbild erkennen und den Schweregrad abschätzen, wenn man bestimmte Punkte der Hufkapsel vor den Aufnahmen mit röntgendichten Markierungen kennzeichnet. Diese Maßnahme ist wichtig, damit der Tierarzt eine Prognose für den weiteren Behandlungserfolg abgeben kann. Denn eine schwere mögliche Komplikation einer chronischen Hufrehe ist z.B. der Durchbruch des Hufbeins durch die Hufsohle.

Auch mit dem bloßen Auge kann man chronische Rehehufe in der Regel schon erkennen: Die Zehenwand weist einen oder mehrere deutliche Knicke auf und wächst schnabelnd. Das Horn zeigt horizontale, zu den Trachten hin abfallende Ringe, die das ungleichmäßige Hornwachstum zeigen. Betroffene Pferde haben häufig mit wiederkehrenden Hufabszessen zu kämpfen, da die Lamellenschicht nicht mehr intakt ist. Außerdem zeigen sie eine typische, verstärkte Trachtenfußung, da sie die schmerzhafte Zehe nicht belasten können.

Tatsächlich muss eine chronische Hufrehe auch nicht immer mit einem oder mehreren klar erkennbaren Schüben einhergehen. Es gibt auch viele übergewichtige Pferde, die nie deutlich ein akutes Hufrehegeschehen zeigen. Hier sind es eher kleine Anzeichen, die hellhörig machen sollten: Betroffene Pferde laufen immer wieder mehr oder weniger stark fühlig. Sie suchen im Paddock eher weiche Untergründe und liegen vielleicht etwas mehr als ihre Herdenmitglieder. Die weiße Linie ist im Bereich der Zehe leicht verbreitert und vielleicht hat der Hufbearbeiter Mühe, die Zehe kurz genug zu halten. All das können Hinweise auf entzündliche Prozesse in der Hufkapsel sein und sollten nicht übersehen werden. Denn Lage- und Formveränderungen des Hufbeins finden durchaus auch bei dieser Verlaufsform statt.

Die gute Nachricht ist, dass es nicht so weit kommen muss, wenn man ein Rehepferd gut und gewissenhaft managt. Reagiert man schnell und konsequent, sind bei vielen Pferden keine bleibenden Schäden der Hufe feststellbar. Was bleibt, ist nur das lebenslang erhöhte Risiko eines erneuten Schubs, das man durch die Optimierung von Haltung, Fütterung und Training aber sehr gering halten kann. 

Du brauchst Tipps zur richtigen Fütterung deines (ehemaligen) Rehepferdes und bist dir nicht sicher, welche Produkte geeignet sind und welche nicht? Unsere Expertinnen beraten dich gerne, wie du dein Pferd optimal und sicher versorgen kannst:

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Celina Hofmann, Tierärztin
November 2021, © AGROBS GmbH

Quellen:
- Coenen, M.; Vervuert I.: Pferdefütterung. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 2020
- Gesellschaft für Pferdemedizin: Hufrehe-Leitfaden (2017). Zur Sorgfalt bei der Diagnostik und Therapie der Hufrehe. 
- Kienzle, E., Fritz, J: Fütterungsbedingte Rehe – Rezidivprophylaxe beim übergewichtigen Pferd. Tierärztliche Praxis Großtiere 4/2013, S. 257-264